Leitgedanken zum Symposion


2009 jährt sich zum 150sten Mal die Ersterscheinung von Charles Darwins Hauptwerk „On the Origin of Species by Means of Natural Selection“, eines Buchs, das schon am Tag nach seinem Erscheinen mit 3000 Exemplaren ausverkauft war.

Das Ereignis wird allgemein als wissenschaftliche und weltanschauliche Revolution gefeiert. Dementsprechend gestaltet sich schon jetzt die das Darwinjahr vorbereitende und einleitende Literatur.

Doch zeigt ein kritischer Blick ein ganz anderes Bild als die allgemein verbreitete Lesart. Dies betrifft sowohl die Person und Rolle Charles Darwins bei der Entstehung der „darwinistischen“ Evolutionstheorie als auch die Geschichte des Evolutionsgedankens und auch die Anwendbarkeit der Darwin’schen und Neodarwinistischen Theorie auf die Rekonstruktion der Stammesgeschichte.

Darwin markiert gewiss einen wichtigen Punkt in der Geschichte und Entwicklung des Evolutionsgedankens, doch ist dieser keineswegs neu. Angesprochen wurde die Möglichkeit einer Veränderung schon durch die Ionische Naturphilosophie, ebenso im 3. Jahrhundert v. Z. in China. Darwins Großvater Erasmus sprach ebenso wie G. Buffon, J. P. Lamarck und E. Geoffroy de Saint Hilaire und letztlich auch J. W. Goethe den Evolutionsgedanken bereits an. In England veröffentlichte E. Blyth schon in den 30er Jahren des 19. Jh. die Grundgedanken des späteren Darwinismus, H. Spencer prägte vor Darwin die für den späteren Darwinismus so bedeutsamen Begriffe „Evolution“ und „Survival of the Fittest“.

Schon vor Charles Darwin veröffentlichte auch A. R. Wallace ein bedeutendes Manuskript über die Entstehung neuer Arten. Wallace sandte 1858 aus Ternate (damals Niederländisch Indien, heute Indonesien) ein Manuskript an Darwin, in dem dieser angeblich seine eigenen Gedanken wiederfand, was ihn, so die gängige Legende, zum schnellen Abschluss seines schon lange in Arbeit befindlichen Buchs angeregt haben soll.

Hier sind erhebliche Zweifel angebracht. Vor allem gibt es einen begründeten Verdacht, dass die britische Linnean Society, der Darwin angehörte, diesem in unfairer Weise den Primat an der von beiden vertretenen Idee sicherte.

Ebenfalls hervorgehoben muss werden, dass Charles Darwin in seinen wichtigsten Werken die Vererbung individuell erworbener Merkmale vertrat, einen aus heutiger Sicht undarwinistischen, lamarckistischen Gedanken.

Die Darwinschen Theorien erfuhren in der weiteren Folge zahlreiche Entwicklungsschübe und Abwandlungen, die schließlich zum heute dominierenden „Neodarwinismus“ führten. Auch der Neodarwinismus, dessen Hauptvertreter, Ernst Mayr von 3 Jahren 101jährig verstarb, geriet wieder in die Diskussion. Es waren einerseits die Anpassungsvorstellungen, die kritisiert wurden, andererseits ein doch zu einfaches Bild von der Wirkungsweise der Gene.

Soziale Implikationen ergaben sich durch die Anwendung und Übertragung von Einzelaspekten des Darwinismus in andere Wissenschaften, vor allem des stark gemachten Konkurrenzdenkens, das sich in sozialdarwinistischen Ideologien, im gerade in der Gegenwart in die Diskussion geratenen Wirtschaftsliberalismus sowie auch in rassistischen Gedanken niederschlug. Mit teilweise fatalen Konsequenzen.

Ebenfalls ein kritikwürdiges Kind des klassischen Darwinismus ist die „Evolutionäre Psychologie“, die versucht, sowohl die Verhaltensweisen des Menschen als auch viele negativ empfundene Erscheinungen des Soziallebens evolutionär zu begründen.

Ebenfalls darwinistisch und adaptationistisch verfasst ist die „Evolutionäre Erkenntnistheorie“, die in ihren Ansätzen auf Herbert Spencer zurückgeht und von Ernst Haeckel, Donald Campbell, Konrad Lorenz und Rupert Riedl vertreten wurde. Sie versucht, Kant’sche Kategorien und Anschauungsformen durch Anpassungsprozesse zu erklären. Durch Kritik des Anpassungsdenkens werden auch ihre theoretischen Schwächen offenbar.

Ein besonderes Charakteristikum der derzeitigen Situation ist ein wieder erwachender Widerstand gegen das Evolutionsdenken insgesamt. Dieser Widerstand geht von den USA aus. Er hebt durchaus existierende Schwächen des Alt- und des Neodarwinismus hervor, um dann mit dem Schlagwort „Intelligent Design“ eine planende göttliche Instanz in die Diskussion einzuführen. Radikale Kritiker, etwa die Zeugen Jehovas, stellen sogar den biblischen Schöpfungsbericht als alleinige Alternative in den Raum.

Dieses Denken kann mit neuen theoretischen Ansätzen, welche die Fehler des auf Anpassungsdenken basierenden Darwinismus vermeiden, kritisiert und zurückgewiesen werden. Zudem gibt es auch von theologischer Seite Stimmen, die mit einer naturwissenschaftlich stringenten Erklärung der stammesgeschichtlichen Entwicklung keine Schwierigkeiten haben. Darwinistisches Denken fand auch in der Kunst seinen Niederschlag, was kritisch aufgearbeitet werden soll.
 


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